Gründung

 „Die Tradition zu wahren, altes heimatliches Brauchtum zu schützen, Freundschaft und Geselligkeit zu pflegen und echte Nachbarhilfe zu üben. Glaube, Sitte, und Heimat, sei unsere Devise in guten und bösen Tagen“

So steht es zwar erst seit 1966 in unserer Satzung, letztendlich war es aber dieses Gedankengut das am Pfingstmontag 1930  die Grundlage für die Gründung unseres Schützenvereins war.

Im Vergleich zu vielen anderen Schützenvereinen aus Dülmen und dem umliegenden Münsterland ist unser Verein zwar vergleichsweise jung, seine Tradition reicht  aber weit über das Gründungsjahr 1930 in das Mittelalter zurück.

Denn neben den Familien, waren es die Nachbarschaften die im Mittelalter  für den sozialen Zusammenhalt innerhalb der Stadtmauern sorgten. In Dülmen organisierten sich diese Nachbarschaften nach den fünf großen Ausfallstraßen der Stadt und so entstand entlang der Niestroat (Neustraße), der Straße also die nach Merfeld und Borken führte,  die Gemeinschaft der Nieströter.

Historische Zeichung des Neutors

Westseite der Dülmener Stadtbefestigung um 1590 - Das "Neutor" an der Ausfallstraße nach Merfeld-Borken wurde kurz zuvor durch eine Vorpforte verstärkt (nach rechts zweigt der "Brokweg" ab; oben rechts ist die stadteigene Wassermühle, die "Peppermühle", zu sehen).

Historischer Grundriss Dülmens

Zentral gelegen St. Viktor. Deutlich erkennbar die fünf Hauptstraßen. Nach Westen führend die Niestroat.

Quelle:"Dülmen Von der Bauernschaft zum zentralen Ort", Heinz Brathe, S.44 u.48

Die Aufteilung nach Nachbarschaften regelte aber nicht nur das Zusammenleben innerhalb der Stadtmauern. Über die fünf Straßengemeinschaften wurde auch die Verteilung des außerhalb der Stadt liegenden Weide- und Ackerflächen organisiert. Jeder der Gemeinschaften wurden gewisse Flächen zur landwirtschaftlichen Nutzung zugewiesen. Hierdurch erhielt das Nieströter Viertel den Beinamen Siegenvedel (Ziegenviertel).

Quelle: Geschichte der Stadt Dülmen, Bastian Gillner, S.76-77)


Wo und wann der Gedanke geboren wurde, einen Schützenverein der Nieströter zu gründen, wissen wir nicht mehr genau. Peter Fourmer berichtet zu Beginn des ersten Protokollbuches von der Entstehung: "In der Samstags-Ausgabe des 31. Mai 1930 wurden die Interessenten der Nieströter Gemeinschaft zwecks Abhaltung eines Schützenfestes zu einer Besprechung am Sonntag, den 1. Juni, beim Wirt Anton Lödding (Merfelder Hof) eingeladen."

Einladung zur 1. Generlversammlung aus der Dülmener Zeitung vom 31.03.1930


Diese Versammlung am 1. Juni unter der Leitung von Gerhard Micheel beschloss, die Stimmung zu erkunden. Der Gedanke fand wohl Anklang, denn schon bald wurde durch Zeitungsinserat zur Gründungsversammlung am Pfingstsonntag, dem 9. Juni 1930, abendsacht Uhr beim Wirt Anton Lödding aufgerufen. Erstes wichtiges Thema war die Frage, ob noch im selben Jahr ein Schützenfest gefeiert werden sollte. Es wurden auch Stimmen laut, "in Anbetracht der schlechten Zeiten" darauf zu verzichten. "Jedoch der größte Teil der Versammlung hatte eine gute Partie Optimismus mitgebracht und begründeten denselben damit, dass man ja nicht direkt mit allem Komfort und Luxus anzufangen brauche, sondern erst mal klein und bescheiden zu beginnen." Der gewählte Vorstand mit Gerhard Micheel an der Spitze erhielt den Auftrag, das Fest im einzelnen vorzubereiten.

In einer weiteren Versammlung wurden die Offiziere bestimmt. Sie sollten für das Fest Uniformen beim Gesellen- oder Arbeiterverein entleihen. Man beschloss, dass der Vorstand "in'n stiefen Stoet" zu feiern habe. Das Königsgeld wurde auf 65 Mark festgesetzt, doch sollten 50 Mark davon von vornherein für Freibier reserviert sein.

Artikel aus der Dülmener Zeitung aus dem Sommer 1930



Das erste Schützenfest am 20. Juli 1930 war ein voller Erfolg. Schon am Vorabend beim Kommers wurde klar, dass die Nieströter zu feiern verstehen. Vom Festzug am Mittag berichtet Peter Fourmer: "Ein historischer Akt leitete diesen ein, indem der noch lebende letzte Gemeindehirt, Herr Ueing, welcher vorher unter Vorantritt des Musikkorps von der 1. Kompanie abgeholt wurde, dem Festzug im Wagen vorangefahren umhängt mit dem alten traditionellen Blashorn, welches uns in liebenswürdiger Weise von dem Altertumsforscher Herrn Hölscher zur Verfügung gestellt wurde." Mit merklichem Vergnügen berichtet der Schriftführer, dass es den Schützen bis um halb acht am Abend nicht gelang, den Vogel von der Stange zu holen. Der Vorstand beschloss einen kleinen Eingriff. Man musste jedoch feststellen, "dass der großherzige Spender des Vogels (Schreinermeister Josef Sewald) es wohl auf ein achttägiges Vogelschießen abgesehen hatte, und statt einer kleinen Operation musste eine ziemlich große vorgenommen werden, wo selbst ein gut geschliffenes Beil auf der Strecke bleiben musste." Viktor Pohlmann wurde der erste König der Vereinsgeschichte, zur Königin wählte er Fräulein Sissy Kück.
 

Quelle: Jubiläumsheft 50 Jahre Nieströter Schützenverein 1980, Dr. Karl Helmer